Kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter
Das kulturelle Erbe umfasst neben immateriellen Assoziationen die physischen Zeugnisse der Vergangenheit.
Für die Umweltprüfung relevant sind dabei vor allem Zeugnisse menschlichen Handelns, die als solche für die Geschichte des Menschen bedeutungsvoll sind und die sich als Orte, als Raumdispositionen oder als Sachen in der Kulturlandschaft lokalisieren und definieren lassen. Diese Kulturgüter umfassen sowohl Einzelobjekte oder mehrere Objekte einschließlich ihres Umgebungsbezuges, als auch flächenhafte Ausprägungen und räumliche Beziehungen bis hin zu kulturhistorisch schützenswerten Landschaftsteilen und Landschaften.
Hinzukommen Güter, die die prähistorische Entwicklung bezeugen (Bodendenkmale, archäologische Funde, etc.) und einen Überschneidungsbereich zur Archivfunktion von Böden darstellen. Darüber hinaus bestehen im Hinblick auf kulturhistorische Landschaftsteile und Landschaften Bezüge zu den Schutzgütern Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt und Landschaft. Die Bezüge zum Schutzgut Landschaft werden auch durch die UVP-Änderungs-Richtlinie gestärkt: Demnach gehören urbane historische Stätten und Kulturlandschaften, die integraler Bestandteil der Vielfalt der Kulturen sind, zum Kulturerbe.
Ferner ist die Einbeziehung der optischen Auswirkungen von Projekten, namentlich die Veränderung des Erscheinungsbilds oder die Ansicht der gebauten und natürlichen Landschaft und städtischer Gebiete wichtig, um das historische und kulturelle Erbe und die Landschaft besser zu wahren.
Unter den sonstigen Sachgütern sind gesellschaftliche Werte zu verstehen, die beispielsweise eine hohe funktionale Bedeutung haben oder hatten (z. B. Tunnel, Brücken, Türme, aber auch historische Gebäude, Geräte etc.). Aufgrund der Funktionsbedeutung bzw. der hohen Umweltaufwendungen, die ihre Konstruktion oder Wiederherstellung verursachten, sind sie zu erhalten. Viele Aspekte werden allerdings schon im Rahmen der Behandlung der anderen Schutzgüter mit abgedeckt.
Im Folgenden werden insbesondere die Auswirkungen einer Höchstspannungsleitung auf das Schutzgut Kulturelle Erbe und sonstige Sachgüter differenziert nach technischer Ausführung (Freileitung, Erdkabel und Seekabel) für den Bau betrachtet. Anlage- und betriebsbedingte Auswirkungen von Höchstspannungsleitungen auf das Schutzgut Kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter sind zum Teil vernachlässigbar bzw. durch andere Schutzgüter (zum Beispiel Landschaft und Boden) bereits abgedeckt.
Freileitung
Durch die Arbeiten an Freileitungstrassen in der Bauphase können Boden-, Kultur- und Baudenkmäler sowie archäologische Fundstellen gefährdet sein.
Dauerhafte Beschädigungen und unwiederbringliche Verluste können durch die Tiefbaumaßnahmen hervorgerufen werden. Diese Arbeiten umfassen den Erdaushub an den Maststandorten und die Umlagerung von Boden. Im Bereich der Baustellen werden Baumaschinen eingesetzt und Materiallagerflächen benötigt, die ebenfalls bedeutsame Stätten und Fundstellen – insbesondere Bodendenkmale – nachteilig verändern können. Auch Maßnahmen zur Baugrubenwasserhaltung und Eingriffe in Drainagen können das Bodengefügte derart verändern, dass Kulturgüter beeinträchtigt werden. Diese Auswirkungen können auch beim Bau von Umspannwerken oder anderen Nebenanlagen erfolgen.
Erdkabel
Bei Erdkabeln ist ein wesentlich größeres Risiko für die Zerstörung und den Verlust von Boden-, Kultur- und Baudenkmälern als bei Freileitungstrassen gegeben. Dies ist einerseits auf die linienhafte Form der Baustellen, andererseits auf die wesentlich umfangreicheren Tiefbaumaßnahmen als bei Freileitungen zurück zu führen (siehe auch die Ausführungen beim Schutzgut Boden).
Seekabel
Bei Seekabeln ist vergleichbar mit Erdkabeln ein wesentlich größeres Risiko für die Zerstörung und den Verlust von Kulturdenkmälern gegeben als bei Freileitungen. Dies ist einerseits auf die linienhafte Form der Baustellen, andererseits auf die ggf. wesentlich umfangreicheren Tiefbaumaßnahmen zurück zu führen.(siehe auch die Ausführungen beim Schutzgut Boden).
Außerdem ist zusätzlich auf die potenziellen Wirkfaktoren durch die notwendigen Nebenanlagen hinzuweisen. Übergangsbauwerke als Nebenanlagen könnten ggf. (vor allem aufgrund ihrer Größe) auch Sichtbeziehungen von Kulturdenkmalen aus beeinträchtigen, die an Land stehen. Da Kulturgüter im Meeresbereich in der Regel nicht sichtbar sind, ist eine Beeinträchtigung von Sichtbeziehungen hier nicht zu erwarten.
Freileitung
Durch die Anlage der Freileitungen können visuelle Beeinträchtigungen entstehen, wenn Freileitungsmasten und Beseilung als technische Fremdkörper wirken. Dies kann ein Kulturdenkmal zum einen in seiner Raumwirkung, vor allem im Nahbereich, beeinflussen. Gleichzeitig kann aber auch der Blick vom Kulturdenkmal auf die Umgebung beeinträchtigt werden. Der visuelle Wirkraum von Freileistungsmasten hängt von der Höhe, Exposition sowie der Umgebung ab. Zudem können Nebenanlagen (auch von Erdkabeln und Seekabeln) im Nahbereich eine wesentliche visuelle Beeinträchtigung darstellen.
Erdkabel
Hier gelten die oben gemachten Ausführungen zur Anlage der Freileitung.
Es kann sich bei der Anlage der Erdkabel eine geringere Trassenbreite ergeben, die mit entsprechend reduzierten Bauarbeiten und weniger Nutzungseinschränkungen im Bereich der Schutzgüter einhergeht. Außerdem ist zusätzlich auf die potenziellen Wirkfaktoren durch die notwendigen Nebenanlagen hinzuweisen.
Quellennachweis für die hier zum Schutzgut Kulturelles Erbe und sonstige Sachgüter gemachten Ausführungen
UVP-Gesellschaft e.V. (2014): Kulturgüter in der Planung – Handreichung zur Berücksichtigung des Kulturellen Erbes bei Umweltprüfungen. Seite 7.
Landschaftsverband Rheinland (1994): Kulturgüterschutz in der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Bericht des Arbeitskreises „Kulturelles Erbe in der UVP". Köln.
Gassner, E., Winkelbrandt, A., Bernotat, D. (2010): UVP und Strategische Umweltprüfung – Rechtliche und fachliche Anleitung für die Umweltprüfung. 5. Auflage. C. F. Müller Verlag. Heidelberg. Seite 265.
Fachstellungnahme im Auftrag der Bundesnetzagentur (2012):
Gutachten zu Umweltauswirkungen unterschiedlicher Netzkomponenten (pdf, 1 MB)