Privilegierungen und Ausnahmen
Hinweis: Die hier dargestellte Entscheidungssammlung stellt eine Auswahl an Rechtsprechung zu den jeweiligen Themenbereichen dar. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Auflistung dient lediglich der Information. Eine eigene Wertung ist hiermit nicht bezweckt. Hervorgehobene Textteile dienen nur der Übersichtlichkeit.
BVerwG, Urteil vom 14.07.2011, Aktenzeichen: 9 A 12/10
Führt ein Planvorhaben zu Beeinträchtigungen, die den Vorgaben der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung widersprechen, so ist der mit dem Vorhaben verbundene Eingriff in Natur und Landschaft unzulässig mit der Folge, dass gemäß Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 Absatz 5 Satz 1) auch anderen von ihm ausgehenden Beeinträchtigungen die artenschutzrechtliche Privilegierung des § 44 Absatz 5 Satz 2 und 3 verwehrt bleibt (Rn. 117).
BVerwG, Urteil vom 14.04.2010, Aktenzeichen: 9 A 5/08
Vorgezogene Kompensationsmaßnahmen gemäß Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 Absatz 5 Satz 3) müssen zum Zeitpunkt des Eingriffs wirksam sein und die Funktion von verloren gehenden Fortpflanzungsstätten bruchlos übernehmen. Ansonsten wird der Zerstörungstatbestand gemäß Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 Absatz 1 Nr. 3) weiterhin erfüllt (Rn. 123).
BVerwG, Urteil vom 18.03.2009, Aktenzeichen: 9 A 39/07
Der Ergänzung des Verbotstatbestandes im Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 Absatz 5 Satz 2 und 3) liegt eine funktionsbezogene Zielrichtung zugrunde. Die Regelung richtet sich darauf, die von Fortpflanzungs- beziehungsweise Ruhestätten erfüllte ökologische Funktion aufrechtzuerhalten. Hingegen trifft es jedenfalls für die Eingrenzung des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots nicht zu, dass sie den Individuenbezug des Verbotstatbestandes durch einen bloßen Populationsbezug ersetzt. Der in § 44 Absatz 5 Satz 2 vorausgesetzte volle Funktionserhalt ist nämlich nicht schon dann gegeben, wenn der Eingriff keine messbaren Auswirkungen auf die Reproduktionsbedingungen oder Rückzugsmöglichkeiten der lokalen Population als ganzer hat, sondern erst dann, wenn für die mit ihren konkreten Lebensstätten betroffenen Exemplare einer Art die von der Lebensstätte wahrgenommene Funktion vollständig erhalten bleibt, also zum Beispiel dem in einem Brutrevier ansässigen Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze in seinem Revier zur Verfügung stehen oder durch Ausgleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch bereitgestellt werden (Rn. 67).
BVerwG, Urteil vom 09.07.2008, Aktenzeichen: 9 A 14/07
Ob die im Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 Absatz 5 Satz 3) erwähnten vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen von dem in der FFH-Richtlinie (Artikel 12 Absatz 1a) verankerten individuenbezogenen Tötungsverbot erfasst werden oder ob eine Freistellung der CEF-Maßnahmen von dem Tötungsverbot vorliegt, bedarf aus Anlass des vorliegenden Streitfalls keiner weiteren Erörterung, weil die hier in Rede stehenden Maßnahmen keine CEF-Maßnahmen im europarechtlichen Sinne, sondern herkömmliche Schadensvermeidungs- und -minderungsmaßnahmen darstellen und das Tötungsverbot des im Bundesnaturschutzgesetz aufgeführten § 42 Absatz 1 Nr. 1 (Alt. 1) hier aus anderen Gründen nicht erfüllt ist (Rn. 98).
VGH München, Urteil vom 19.02.2014, Aktenzeichen: 8 A 11.40040, 8 A
Um eine Verschlechterung des Erhaltungszustands zu verhindern, können auch spezielle kompensatorische Maßnahmen eingesetzt werden (sogenannte FCS-Maßnahmen). Soweit erforderlich können zur Gewährleistung der ökologisch-funktionalen Kontinuität zudem vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (sogenannte CEF-Maßnahmen) festgesetzt werden. Derartige Maßnahmen müssen - notwendigerweise damit verbundene Unwägbarkeiten berücksichtigend - nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand eine zumindest hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit aufweisen. Die Planfeststellungsbehörde verfügt diesbezüglich über eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative (siehe Nr. 13.3.5).
EuGH, Urteil vom 26.01.2012, Rechtssache: C-192/11
Die artenschutzrechtlichen Ausnahmetatbestände sind eng auszulegen. Sofern diesbezüglich im nationalen Recht ein Ausnahmetatbestand enthalten ist, der unter anderem Gründe des überwiegenden öffentlichen oder wirtschaftlichen Interesses enthält, so ist zu beachten, dass diese Gründe nicht in den abschließenden Ausnahmetatbeständen des Artikel 9 Absatz 1 der Vogelschutzrichtlinie erwähnt sind (Rn. 39).
EuGH, Urteil vom 10.05.2007, Rechtssache: C-342/05
Für die Zulassung einer Ausnahme nach Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie ist der günstige Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Tierarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet eine unabdingbare Voraussetzung. Bei einem ungünstigen Erhaltungszustand sind solche Ausnahmen bei außergewöhnlichen Umständen ausnahmsweise weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie nicht geeignet sind, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern (Rn. 28 f.).
BVerwG, Urteil vom 14.07.2011, Aktenzeichen: 9 A 12/10
Setzt die artenschutzrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens die Erteilung von Ausnahmen für mehrere artenschutzrechtlich relevante Beeinträchtigungen voraus, die dieselbe Art betreffen, so sind die Ausnahmevoraussetzungen in einer Gesamtschau der Beeinträchtigungen zu prüfen (Rn. 146).
BVerwG, Urteil vom 14.04.2010, Aktenzeichen: 9 A 5/08
Im Falle eines ungünstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art sind Ausnahmen nach Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie zulässig, wenn sachgemäß nachgewiesen ist, dass sie weder den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen weiter verschlechtern noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands behindern; darüber hinaus müssen keine außergewöhnlichen Umstände
vorliegen (Rn. 141).