Verbotstatbestände

Das besondere Artenschutzrecht ist mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil der Prüfung bei der Zulassung von Vorhaben geworden. Das Bundesnaturschutzgesetz (§ 44 Absatz 1) beinhaltet dabei die für Infrastrukturvorhaben relevanten Zugriffsverbote.

Bei den Zugriffsverboten wird unter anderem danach differenziert, ob besonders geschützte Arten oder streng geschützte Arten betroffen sind. Für die besonders geschützten Arten sind die Zugriffsverbote Nummer 1, 3 und 4 zu beachten. Für streng geschützte Arten und europäische Vogelarten ist darüber hinaus das Störungsverbot (Nummer 2) einschlägig. Seit der Novellierung der artenschutzrechtlichen Vorschriften im Zuge der Kleinen Novelle des Jahres 2007 ist die Erfüllung eines Verbotstatbestandes unabhängig von subjektiven Tatbestandsmerkmalen (zum Beispiel Absicht) möglich.

Ob im Einzelfall ein Verbotstatbestand tatsächlich Anwendung findet, muss allerdings anhand einer Gesamtschau der im Bundesnaturschutzgesetz hinterlegten § 44 und § 45 bewertet werden, da Privilegierungen (insbesondere in § 44 Absatz 5) und Ausnahmetatbestände (gemäß § 45 Absatz 7) enthalten sind.

Neben den unten aufgeführten Punkten sind in der genannten Vorschrift unter anderem noch Besitz- sowie Vermarktungsverbote enthalten, die jedoch für Zulassungssachverhalte in der Regel keine Relevanz entfalten.

Fang-, Verletzungs- und Tötungsverbot

Die Regelung ist gemäß § 44 Absatz 1 Nr. 1 individuenbezogen ausgestaltet und verbietet das Nachstellen, Fangen und Verletzen von Arten oder die Verschlechterung des Nahrungsangebotes mit der Folge der Tötung. Bei Infrastrukturmaßnahmen kommt eine praktische Bedeutung des Verbots zum einen in der Errichtungsphase zu. Beispielsweise ist es möglich, dass es bei der Verlegung von Erdkabeln und den dafür benötigten Gräben Amphibien und Reptilien getötet werden. Zum anderen rückt das Verbot auch in der Betriebsphase in den Fokus. Hier zum Beispiel bei Freileitungen durch das Kollisionsrisiko von Vögeln an Leiter- und sogenannten Erdseilen. Der Verbotstatbestand ist allerdings erst dann erfüllt, wenn sich durch die Infrastrukturmaßnahme das allgemeine Lebensrisiko signifikant erhöht. Zulässig ist es, bei der Prüfung dieses Tatbestandes vorzunehmende Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Im Rahmen des Netzausbaus könnte zum Beispiel das Kollisionsrisiko von Vögeln mit Freileitungen durch das Anbringen von Vogelmarkern deutlich gesenkt werden. Im konkreten Einzelfall wäre dann nachzuweisen, dass aufgrund dieser Maßnahmen eine signifikante Erhöhung des Kollisionsrisikos verneint werden kann.

Störungsverbot

Unter den Schutz des Störungsverbotes fallen im Bundesnaturschutzgesetz nur streng geschützte Arten und europäische Vogelarten. Verboten ist gemäß § 44 Absatz 1 Nr. 2 eine erhebliche Störung dieser Arten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs-, Mauser- und Wanderzeiten. Eine erhebliche Störung liegt dabei vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Im Gegensatz zum vorgenannten Verbotstatbestand wird im Rahmen des Störungsverbotes ein populationsbezogener Ansatz angewendet; in der Regel ist daher die Störung einzelner Individuen für die Erfüllung des Verbotstatbestandes nicht maßgebend. Etwas anderes kann gelten, sofern die Population selbst entsprechend klein ist. Für eine Störung in Betracht kommen insbesondere optische und akustische Reize, aber auch vorhabenbezogene Zerschneidungs- und Trennwirkungen. Der jeweils zeitliche Schutzumfang ist dabei je nach Art individuell zu bestimmen.

Lebensstättenschutz

Der Lebensstättenschutz umfasst gemäß § 44 Absatz 1 Nr. 3 sowohl Fortpflanzungs- als auch Ruhestätten der besonders geschützten Arten. Diese dürfen nicht aus der Natur entnommen, beschädigt oder zerstört werden. Was als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte im Sinne des Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der FFH-Richtlinie anzusehen ist, ist eine in erster Linie naturschutzfachliche Frage, die je nach den Verhaltensweisen der verschiedenen Arten unterschiedlich beantwortet werden kann. Der Verbotstatbestand könnte beispielsweise bei der Verlegung eines Erdkabels oder beim Bau einer Freileitung durch die Beschädigung eines Fledermausquartiers entstehen. Auch könnten Brutgebiete von Vögeln beschädigt werden. In der Regel nicht erfasst sind dabei Wanderkorridore zwischen Ruhe- und Fortpflanzungsstätten beziehungsweise Jagd- und Nahrungshabitate besonders geschützter Arten. Sofern entsprechende Lebensstätten regelmäßig genutzt werden, erstreckt sich deren Schutz auch auf Zeiten der Abwesenheit der jeweiligen Arten (zum Beispiel: regelmäßig benutzte Nistplätze von Zugvögeln).

Beschädigung von Pfanzenstandorten

Dieser Verbotstatbestand bezieht sich auf § 44 Absatz 1 Nr. 4. Bei der Verlegung eines Erdkabels könnten in der Bauphase zum Beispiel geschützte Pflanzenarten beschädigt werden.