Europarechtliche Vorgaben
Das Artenschutzrecht verfolgt das Ziel, die natürliche beziehungsweise historisch gewachsene Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten für künftige Generationen zu bewahren. Für die Prüfung des besonderen Artenschutzes sind die europarechtlichen Vorgaben bedeutsam, insbesondere in Gestalt der FFH-Richtlinie sowie der Vogelschutzrichtlinie.
Neben dem Habitatschutzrecht wird auch das nationale Artenschutzrecht durch europarechtliche Vorschriften entscheidend geprägt. Neben der Europäischen Artenschutzverordnung, die vor allem einen Rechtsrahmen bezüglich des Handels mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten vorgibt, ist insbesondere auf die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sowie die Vogelschutzrichtlinie hinzuweisen. Die Inhalte der letztgenannten Richtlinien gelten nicht unmittelbar, sondern waren in nationales Recht umzusetzen. Sie stellen wichtige Rechtsquellen zur Auslegung der entsprechenden nationalen Arten-schutzregelungen dar. Die nationale Umsetzung der Richtlinieninhalte ist im Bereich des Artenschutzes im Bundesnaturschutzgesetz (§§ 44 bis 47) geschehen. Im Folgenden werden die Kerninhalte der beiden Sekundärrechtsakte (bezogen auf Zulassungsverfahren) vorgestellt.
Die FFH-Richtlinie enthält mehrere Vorschriften zum Artenschutz (Artikel 12 bis 16). Für Infrastrukturmaßnahmen vornehmlich bedeutsam sind dabei die sog. Zugriffsverbote. Zu nennen ist zunächst Artikel 12, welcher ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV der Richtlinie genannten Tierarten enthält. Verboten ist danach unter anderem die absichtliche Tötung der aufgelisteten Arten, die absichtliche Störung sowie jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten. Entsprechende Verbote für durch Anhang IV geschützte Pflanzenarten finden sich in Artikel 13 der Richtlinie.
Artikel 16 sieht unter anderem für die vorgenannten Verbote eng umgrenzte Abweichungsmöglichkeiten vor. Eine Abweichung kann daher nur unter den folgenden Voraussetzungen gewährt werden: Es darf keine anderweitige Alternative vorhanden sein. Darüber hinaus müssen die Populationen der betroffenen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahme ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand bleiben. Schließlich muss ein zwingender Grund des überwiegenden öffentlichen Interesses vorliegen (beispielsweise Gesundheit des Menschen, öffentliche Sicherheit oder weitere Gründe).
Neben den vorgenannten Regelungen finden sich in der Vogelschutzrichtlinie ebenfalls artenschutzrechtliche Vorgaben. Zu nennen sind hier ebenfalls in erster Linie die in Artikel 5 verankerten Zugriffsverbote. Zu betonen ist, dass sich der Umfang der artenschutzrechtlichen Verbote, anders als im Rahmen der FFH-Richtlinie, auf sämtliche in Europa heimischen wildlebenden Vogelarten bezieht. Die Verbote selbst entsprechen weitgehend den im Rahmen der FFH-Richtlinie verankerten Verbotstatbeständen. So ist unter anderem das Töten beziehungsweise Fangen von Vogelarten, das Zerstören, Beschädigen oder Entfernen von Nestern beziehungsweise Eiern sowie das Stören insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit grundsätzlich verboten.
Einzelfallbedingte Abweichungsmöglichkeiten sind in Artikel 9 niedergelegt.